Problemstellung
Die Produktions- und Wirtschaftsbedingungen werden immer komplexer und labiler, sodass traditionelle Planungsmethoden bei Fertigungsstörungen ineffektiv werden. Ein großes osteuropäisches Stahlrohrwerk, das sich bei der traditionellen Fertigungsplanung auf Tabellenkalkulation verließ, sah sich folgenden Problemen gegenüber gestellt:
- Wiederkehrende und ungeplant auftretende Engpässe, die im Fertigungsplan nicht berücksichtigt waren und dessen Umsetzung behinderten.
- Die Fertigungspläne beinhalteten kein Routing der Fertigungsaufträge und verließen sich stattdessen auf die Erfahrung der Vorarbeiter, die von Fall zu Fall Entscheidungen trafen.
- Mängel in der Koordination der Produktionsschritte, was zu Ausfallzeiten, Anlagenüberlastung und Störungen in der Auftragsreihenfolge führte.
Die Werksleitung entschloss sich, die Fertigungsplanung mithilfe einer Simulationssoftware zu verbessern. Zu diesem Zweck wandte sie sich an die Focus Group, ein Unternehmen, das Dienstleistungen für die Implementierung simulationsbasierter Entscheidungsunterstützungssysteme anbietet. Die Experten von Focus Group entwickelten ein Fertigungssimulationsmodell, mit dem drei Hauptziele erreicht werden sollten:
- Vollständige Automatisierung der Fertigungsplanung, um menschliche Fehler auszuschließen.
- Entwicklung einer genauen Vorgabe für das Routing der Fertigungsaufträge durch die Arbeitsstationen der Stahlrohrproduktion.
- Identifikation von freien Produktionskapazitäten, um zusätzliche Aufträge bearbeiten zu können.
Lösung
Das Team von Focus Group entwickelte ein Produktionsplanungsmodell basierend auf einem ereignisdiskreten Ansatz, und beschrieb die Produktionsprozesse als Flussdiagramm. Dazu entschieden sich die Entwickler, das Simulationsmodell für die Fertigungsplanung mit AnyLogic zu entwickeln, weil die Software mehrere entscheidende Vorteile bietet:
- diskrete Ereignismodellierung;
- Branchenspezifische Bibliothek – die Material-Handling-Bibliothek;
- das Modell kann als eigenständige Java-Anwendung exportiert werden;
- Fähigkeiten zur Datenverarbeitung, einschließlich Ein- und Ausgabe;
- Möglichkeit, einen voll funktionsfähigen digitalen Zwilling des Fertigungsunternehmens zu erstellen, der Daten aus dem Betrieb der Fertigungsanlage integriert.
Darüber hinaus ermöglichte AnyLogic, neben der Prozessmodellierung, die Logik der verschiedenen Komponenten der Produktionslinie und deren Interaktionsregeln festzulegen.
Für das Materialflussmodell nahm das Team der Focus Group Objekte wie Auftrag, Rohr, Prokat (Metall-Rolle) und Station auf. Im Modell legen sie die Logik für die gesamte Fertigungslinie fest, vom Muldenlager bis zur Auslieferung. Die Eingabedaten (wöchentlicher Auftragsplan, Leistung, Maschinenarbeitsstunden, usw.) wurden über Excel-Vorlagen in das Modell hochgeladen.
Das Modell ermöglichte es, die Durchführbarkeit, der vom Rohrhersteller erstellten wöchentlichen Fertigungspläne zu testen. Darüber hinaus entwickelten die Ingenieure einen speziellen Algorithmus, mit dem das Modell optimale Fertigungspläne vorschlägt. Durch die Anwendung analytischer Methoden und das Testen der Ergebnisse mit dynamischer Modellierung stellte das Focus-Group-Team sicher, dass das Produktionsniveau im Modell nicht niedriger war als in den vom Werksteam erstellten Plänen. Darüber hinaus half das Modell, die Anzahl von Umrüstungen zu reduzieren und eine detailliertere Planung zu ermöglichen.
Ergebnis
Die Entwickler erstellten ein Modell für die Stahlrohrproduktion, das alle Fertigungsschritte berücksichtigt. Die Anlagenleistung verbesserte sich, weil das Management auf der Grundlage des Modells in der Lage war:
- die Zuverlässigkeit des vom Werk entwickelten Fertigungsplans in einer risikofreien digitalen Umgebung zu testen;
- zu testen, ob neue Aufträge in bestehende Zeitpläne integriert werden können;
- die Auslastungsquote von wichtigen Arbeitsstationen und Maschineneinheiten zu ermitteln.
Darüber hinaus half das Modell bei der Berechnung der erwarteten Auftragsdurchlaufzeiten und der Optimierung der Auftragsreihenfolge, lieferte ein detailliertes Routing der Fertigungsaufträge entlang der einzelnen Fertigungsschritte und war in der Lage, den wöchentlichen Fertigungsplan selbst zu erzeugen.
Als Ergebnis der Simulationsmodellierung minimierte der Produzent Lücken und tägliche Schwankungen bei der Auftragsübergabe, identifizierte Engpässe und verfeinerte das Auftragsrouting. Sie bündelten auch kurze Stillstandszeiten zu längeren Intervallen, um die Anlagenauslastung zu verbessern. Außerdem wurde die Durchlaufzeit einer Plananpassung von drei Stunden auf drei Minuten reduziert. Insgesamt führte die Modellierung der Produktionslinie und der damit verbundenen Arbeitsplanerstellung zu einer prognostizierten zusätzlichen Produktionsleistung von 678 Tonnen und einer Umsatzsteigerung von 813 Tausend US-Dollar pro Woche.
Künftig ist geplant, das Modell weiter auszubauen, um als digitaler Zwilling des Shopfloors zu fungieren, indem es mit den Produktionssteuerungssystemen integriert wird. Damit wird das Management in die Lage versetzt, Schichten bzw. tägliche Aufgaben für jede Maschineneinheit festzulegen und die Produktionsplanung mit der Fertigungssteuerung besser zu verbinden. Durch die gewonnene Gesamtübersicht könnte das Werk dann seine Produktionsplanung bereichsübergreifend koordinieren.