Problemstellung
Bei der Planung komplexer Untertagearbeiten, sei es im Bauwesen oder im Bergbau, sind zahlreiche Faktoren und deren Auswirkungen auf das Gesamtprojekt zu berücksichtigen. Solche Arbeiten sind durch begrenzte Betriebsmittel und Platzverhältnisse sowie durch enge Verflechtungen zwischen den Prozessen gekennzeichnet. Dadurch stoßen Spezialisten bei der Erarbeitung von Ablaufplänen unweigerlich auf Schwierigkeiten.
Das Projektmanagementunternehmen IBCON wurde mit der Entwicklung einer neuen Planungsmethode für die Untertagearbeiten beauftragt. Mithilfe einer Simulationsmodellierungssoftware entwickelten sie ein Verfahren, das Folgendes berücksichtigt:
- Unerwartet auftretende organisatorische und betriebliche Zwänge (z. B. ein bestimmtes Zeitlimit, wann die Arbeit abgeschlossen sein soll oder ein Mangel an Maschinen)
- Konkurrenz um betriebliche Ressourcen (z. B. Konkurrenz um Maschinen im Falle ihres Ausfalls)
- Leistungsschwankungen der Ressource (z. B. kann die Leistung einer Maschine abnehmen, da die Bohrgeschwindigkeit mit der Tiefe im Gestein abnimmt.)
Lösung
Um dieses Planungsproblem zu lösen, mussten die IBCON-Ingenieure den Terminplanungsansatz ändern. Normalerweise werden Tiefbauprojekte über Gantt-Diagramme gemanagt, um die bekannten Arbeiten einzuplanen. Allerdings ist jedes Projekt mit Unsicherheiten behaftet. Zum Beispiel können Planer potenzielle Probleme kennen, jedoch nicht den Zeitpunkt und die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens. Um zu verstehen, wann solche Ereignisse eintreten könnten und welche Auswirkungen sie auf den Arbeitsplan hätten, entschied sich das IBCON-Ingenieurteam für den Einsatz einer Simulationsmodellierungssoftware.
Zunächst entwickelte und visualisierte das Team ein vereinfachtes Simulationsmodell der Erzmine anhand vorhandener Eingangsdaten und der Möglichkeiten von AnyLogic. Die Entwickler verwendeten dazu Komponenten der Flüssigkeitsbibliothek und der Prozessmodellierungsbibliothek, um das Gesteinsvolumen, den Abbau- und den Transportprozess des Erzes an die Oberfläche zu modellieren. Mit den agentenbasierten Modellierungsfunktionen legte das Team die Ablauflogik für jedes Element des unterirdischen Bergbausystems fest, einschließlich:
- Lagerhallen, die als Stützpunkte für Transporter und Verlader dienten;
- eine Garage (in der sich selbstfahrende Bohrgeräte und Fahrlader (LHDs) sowie Abbaukammern (Ausschachtungen in einem Bergwerk, aus denen Erzgestein abgebaut wird);
- Lagerstätten für das Mineralgestein aus den Stollen und ob das Gestein zum Trockenversatz oder zu den Verladestellen der Grubenwagen transportiert wird;
- eine Abladestelle sowie ein Bunker, der Abraum von den Wagen aufnimmt, usw.
Darüber hinaus berücksichtigte das IBCON-Team im Erzminenmodell die Menge des abgebauten Gesteins, die Personal- und Geräteverfügbarkeit, die Fahrgeschwindigkeit, die Bedingungen für die Ausrichtung der Arbeiten in mehreren Haltestellen, Belastungsfaktoren der Transportmaschinen, die Wartungsintervalle der Betriebsmittel, die Förderintervalle usw. Zusammengenommen ergab die Modellierung dieser Aspekte eine hohe Detailgenauigkeit des Modells.
Experimente mit dem Untertagebau-Modell
Nach der Entwicklung, Ausführung und dem Debuggen des Modells nahmen die Entwickler ein Parametervariationsexperiment vor, um zu sehen, wie sich die Projektabschlusszeit ändern würde.
Im ersten Experiment wollte das IBCON-Team feststellen, ob der Gesamtablaufplan für die Projektdurchführung mit den Anfangsparametern von Maschinen, Geräten, Absperrungen und anderen Elementen des Untertagebausystems vereinbar wäre. Als Ergebnis fand das Team heraus, dass die Projektdurchlaufzeit um drei Monate verkürzt werden konnte – wobei einige Arbeiten jedoch länger als ursprünglich geplant durchgeführt werden mussten.
Das Ziel der zweiten Untersuchung war es, die Projektdurchlaufzeit zu minimieren. Gefragt waren Parameter, die die Arbeiten, ohne Einbußen in der Produktion und Sicherheit, so weit wie möglich beschleunigen würden. Auf diese Weise ließ sich die Durchlaufzeit um sieben Monate verkürzen.
Im dritten Experiment betrachtete das IBCON-Team einen Fall, bei dem einige Ausgangsparameter falsch waren, Bohrgeräte und LHDs regelmäßig ausfielen und das Gestein aus einer der Stollen in einen weiter entfernten Trockenverfüllungsbereich gebracht werden musste. Das Versuchsergebnis zeigte, dass die Fertigstellung der Arbeiten eineinhalb Monate länger dauerte als geplant. Anschließend führte das IBCON-Team auf Basis dieser Resultate eine Faktorenanalyse durch und ermittelte den größten Störfaktor, um dessen Einfluss zukünftig zu minimieren.
Aus den Modelluntersuchungen erstellten die Entwickler ein Ereignisprotokoll und anhand dieser Daten ein Zyklogramm, einen tageweisen Monatsplan und ein Gantt-Diagramm, das verschiedene Detailebenen für die Arbeitsplanung enthielt.
Die Ingenieure konnten zudem die Modelldaten während der Umsetzung in die Praxis aktualisieren, um es auf dem neuesten Stand zu halten. Das Modell wurde daraufhin erneut ausgeführt und anhand der Resultate der Arbeitsplan angepasst. Der Vorgang konnte so oft wiederholt werden, bis das Untertagebauprojekt abgeschlossen war.
Ergebnis
Bei der Entwicklung dieser Lösung für die Terminierung von Tiefbauarbeiten erstellte das IBCON-Team ein Simulationsmodell für den Abbau und Transport von gebrochenem Gestein in einem Erzbergwerk. Basierend auf den Modellierungsergebnissen, erarbeiteten die Ingenieure:
- einen Projektplan für die gesamte Bauzeit unter Tage
- einen Monatsplan mit Tagesablaufplänen
- Ein Zyklogramm in Drei-Minuten-Schrittfolge
Gleichzeitig nutzten sie das AnyLogic-Modell, um zu analysieren, wie sich verschiedene Faktoren auf die Durchlaufzeit im Vergleich zum ursprünglichen Projektplan auswirkten. Dies berücksichtigte Projektrisiken des Untertagebauprojektes und half bei der Auswahl der geeigneten Strategien.
Die von IBCON entwickelte Technologie ist in jeder Branche einsetzbar, die sich mit Tunnelarbeiten beschäftigt. Die Simulationsmodellierung ist eine flexible Lösung, die die Berechnung des dynamischen Verlaufs des Abbauvorgangs, die Erstellung von Auslastungsplänen für die einzelnen Maschinen und die Optimierung der Arbeitsauslastung, das Testen von „Was-wäre-wenn“-Szenarien mit variierenden Parametern und vieles mehr ermöglicht. Die Fähigkeit, Aktivitäten zu verstehen und zu prognostizieren, ist ein leistungsstarkes Werkzeug, um Managemententscheidungen zu unterstützen.