Führende Unternehmen der Automobilindustrie setzen in ihrer Produktion autonome mobile Roboter (AMR) ein, um ihre Produktivität zu steigern. In dieser Fallstudie beschreibt, Maximilian Selmair, Materialfluss-Ingenieur bei Tesla und ehemaliger Doktorand und AMR-Forscher bei der BMW Group, die branchenübliche Praxis beim Einsatz großer Transporterflotten und demonstriert, wie die cloudbasierte Simulation mit AnyLogic dabei hilft, optimale Algorithmen für die Aufgabenverteilung zu entwickeln.
Warum AMR und nicht FTF?
Autonome mobile Roboter (AMR) sind leistungsfähiger als fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) , da sie komplexer sind. AMR verfügen über größere Softwarekapazitäten und navigieren mittels Karten, ohne Leitdrähte oder -streifen zu benötigen. Daher sind sie nicht wie FTFs auf feste Routen beschränkt. AMR sind folglich flexibler einsetzbar und lassen sich mit einem einzigen Software-Update rasch auf neue Aufgaben umrüsten.
Im Vergleich zu FTS ist die moderne AMR-Technologie kosteneffektiver, da die Anforderungen an die Infrastruktur geringer sind und sie schneller eingesetzt werden kann, ohne die Produktion zu beeinträchtigen.
Problemstellung: Effiziente Aufgabenverteilung an einen automatisierten Fahrzeugpool
Die Optimierung des Betriebs von Transportern in der Produktionslinie verfolgt zwei Ziele: Primär soll sie bewirken, dass Lieferaufträge bedarfsgerecht ausgeführt werden, zum anderen soll die Verkehrsdichte innerhalb der Produktionsstätte minimiert werden.
Verspätete Liefereinsätze führen zu Verzögerungen, die die Effizienz mindern und die Kosten erhöhen. Für BMW war die Vermeidung von Produktionsausfällen daher das primäre Ziel der Optimierungsarbeiten im Zusammenhang mit dem Transporterbetrieb.
In Produktionsstätten ist der für Transportwege zur Verfügung stehende Platz ein knappes Gut, weshalb sich autonome Transporter die Wege mit anderen Flurfahrzeugen und Mitarbeitern teilen müssen. Eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens hat dabei diverse positive Auswirkungen, darunter mehr Sicherheit, weniger Staus und weniger Verspätungen.
Die Studie zielte deshalb darauf ab, den Materialtransport ohne Verspätungen und mit möglichst wenigen Transporterfahrten keinerlei Verspätungen zu bewerkstelligen. Eine Problematik, die sich allgemein als Allokationsproblem charakterisieren lässt.
Lösung: Eine Simulation zur Untersuchung von AMR-Aufgabenzuweisungsmethoden
Zur Lösung dieses Allokationsproblems wurden anhand eines hybriden Simulationsmodells einer Fahrzeug-Produktionsstätte verschiedene Methoden getestet. Die Simulationssoftware von AnyLogic mit ihren Multi-Methoden-Modellierungsfunktionen und ihrer Material-Handling-Bibliothek ermöglichte eine schnelle Modellierung des Arbeitsbereichs, einschließlich der Hinzufügung von automatischen Transportsystemen. Die Simulation verwendet dabei sowohl agentenbasierte als auch diskrete Ereignismodellierungsansätze.
Neben den zahlreichen Methoden zur Zuweisung von Aufgaben an Transporter bietet AnyLogic auch die Flexibilität, benutzerdefinierten Code einzubinden. Dies ermöglichte das Testen beliebiger Aufgabenverteilungsalgorithmen, die das Problem der AMR-Aufgabenzuweisung potenziell lösen können. Dabei wurden sowohl Heuristiken als auch exakte Methoden analysiert. Exakte Methoden sind Algorithmen, die immer eine genaue Lösung liefern, wie bei der linearen Optimierung. Im Gegensatz dazu basieren die heuristischen Methoden auf einer Annäherung und sind unter Umständen nicht so genau wie exakte Methoden, dafür aber in der Regel schneller.
Die Untersuchungsergebnisse aus dem Test der verschiedenen Methoden in einem AnyLogic-Simulationsmodell zeigten, dass bei der Aufgabenzuweisung an Transporter in einer Fahrzeugfabrik der Jonker-Volgenant-Castanon-(JVC)-Algorithmus überlegen ist.
Schnellere AMR-Szenarioanalyse mit cloudbasierter Simulation
Nach der Erstellung des Simulationsmodells zum Testen verschiedener Zuweisungsmethoden war es notwendig, eine Vielzahl von Simulationsläufen durchzuführen. Jede Zuweisungsmethode musste mit unterschiedlichen Parametern und in verschiedenen Szenarien überprüft werden.
Im untersuchten Fall wurden 40 verschiedene Flottengrößen mit unterschiedlichen Zuweisungsmethoden verglichen. Und da jeder Durchlauf zwei Stunden benötigt, um neun Stunden Simulation zu berechnen, war ein Lösungsansatz, der den Prozess beschleunigen könnte, mehr als willkommen.
Die AnyLogic Cloud-Plattform ist eine skalierbare Computing-Umgebung, die die parallele Ausführung von Simulationsläufen ermöglicht. Ihre Rechenleistung erlaubte eine schnelle Variation der Parameter und das Testen mehrerer Szenarien. So konnten unter anderem die Simulationsläufe für alle 40 Flottengrößen gleichzeitig durchgeführt werden. Und da die Berechnungen auf Cloud-Servern ausgelagert sind, kann der Simulationsmodellierer seinen Computer ungehindert weiter benutzen.
Ergebnisse: Ein optimaler AMR-Aufgabenverteilungsalgorithmus
Verglichen mit dem Basisszenario, bei dem die Aufgaben auf der Grundlage des jeweils nächstliegenden Agenten zugewiesen werden, reduziert die aus dem JVC-Zuweisungsalgorithmus entwickelte Methode die Anzahl der erforderlichen AMRs um 30 %.
In einem Beispielszenario mit 7.500 Einsätzen benötigte die herkömmliche Methode 58 Transporter, die davon insgesamt drei Einsätze verspätet erledigte. Der Algorithmus aus unserer Studie benötigte hingegen nur 42 Transporter, um die gleiche Liefertreue zu erreichen.
Diese Verringerung der Anzahl von AMR-Transportern, die für ein gewünschtes Serviceniveau erforderlich sind, ist aufgrund der hohen Vorlaufkosten der AMRs im Vergleich zu FTF und manueller Methode von Bedeutung.
Die Verringerung der Anzahl der AMR, die erforderlich ist, um nur drei verspätete Einsätze in 7.500 zu erreichen, trägt deutlich dazu bei, die Verkehrsdichte zu minimieren.
Die Kombination aus Simulation zur Erstellung einer Testumgebung und Cloud-Computing zur Durchführung der Experimente ermöglichte die schnelle Entwicklung eines benutzerdefinierten Zuweisungsalgorithmus für die AMR-Aufgabenverteilung in einer Fahrzeugfertigung. Der Algorithmus verbesserte die standardmäßige Zuweisung des nächstgelegenen Agenten um 30 % und erfüllte zugleich die Anforderungen an eine niedrige Verspätungsquote und eine geringere Verkehrsdichte.
Maximilian Selmair präsentierte die Untersuchungsergebnisse auf der AnyLogic Conference 2021:

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