Optimierung der Abläufe in E-Commerce-Lagern

Optimierung der Abläufe in E-Commerce-Lagern

Der globale Internethandel ist binnen fünf Jahren um 320 % gewachsen, und nach der COVID-19- Pandemie steigt die Nachfrage weiter an. Um ihre Kosten zu senken und wettbewerbsfähig zu bleiben, führte DHL Supply Chain ein Projekt zur Optimierung von Warenlagern durch. Es galt, ein intelligentes und robustes Simulationstool für die Lagerhaltung zu entwickeln, um unterschiedliche Wellenkommissionierstrategien (Wave-Picking) zu testen.

Für ein Lager mit 500.000 SKUs (Stock Keeping Units) und 249 Mitarbeitern wurden im Rahmen des Lageroptimierungsprojekts Strategien entwickelt, die die für die Auftragsabwicklung benötigte Zeit um 8,2 % und die dafür benötigten Mitarbeiter um 66 reduzierten.

DHL Supply Chain ist ein Konzernbereich der Deutsche Post DHL Group mit einem globalen Netzwerk und einem umfangreichen Logistikportfolio, das Lagerhaltung, Transport und Mehrwertdienste umfasst.

Problemstellung

DHL Supply Chain stellte fest, dass zwei Ziele entscheidend sind, um im wachsenden E-Commerce-Sektor wettbewerbsfähig zu bleiben: die Einhaltung von Service-Level-Agreements (SLAs) der Kunden und die Senkung der Betriebskosten.

Um diese Ziele zu erreichen, entschied sich das Unternehmen für die Optimierung seiner E-Commerce-Abläufe, darunter die Inbound-Aktivitäten Wareneingang, Bereitstellung, Sortierung und Einlagerung sowie die Outbound-Tätigkeiten Kommissionierung, Sortierung, Verpackung, Bereitstellung und Versand.

Jigar Panot, Spezialist im Global Solutions Design Center von DHL Supply Chain, arbeitete an einer Lösung für eines der Großlager:

Lager-Layout

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Ziel des Projektes war die Entwicklung eines robusten, intelligenten Systems zum Testen verschiedener Wave-Picking-Strategien und zur Ermittlung des optimalen Lagerdurchsatzes und der Ressourcennutzung.

Lagerhaltung und Optimierung der Kommissionierwege

Großlager verwenden die Batch-Kommissionierung zur Auftragsabwicklung, da die Kommissionierung von Einzelaufträgen und die Cluster-Kommissionierung dazu führen kann, dass Kommissionierer viele Kilometer zurücklegen müssen, um einen Auftrag zu erfüllen. Ziel muss es jedoch sein, den optimalen Pick-Pfad zu finden.


Methoden zur Kommissionierung von Auftragspositionen in einem Lager

Methoden zur Kommissionierung von Auftragspositionen in einem Lager (zum Vergrößern klicken)

DHL-Großlager verwenden Batch-Kommissionierung mit Wellenfreigabe. Aufträge werden dabei in Batches zusammengefasst, die in Kommissionierwellen für die periodische Freigabe zusammengefasst werden. Ein Batch enthält dabei in der Regel 14 Aufträge. Die Kommissionierung in Wellen hilft bei der zeitlichen Koordinierung von Arbeitsabläufen im Lager, sodass andere Vorgänge, wie Einlagerung oder Reinigung, weiterhin effizient durchgeführt werden können.

Bei einer Wellenfreigabe werden die Batchpositionen so nach Zonen aufgeteilt, dass der Abstand zwischen ihren Lagerorten für den Kommissionierer so kurz wie möglich ist. Nachdem alle Positionen aus einer Zone entnommen wurden, werden sie in einem Bereitstellungsprozess (Staging) zu Batches zusammengefasst. Vollständige Batches kommen in die Sortierung, wo die Aufträge in Bereitstellungsregale zusammengeführt werden, bevor sie verpackt und zum Versand gebracht werden. Putwalls sind Bereitstellungsregale, die per Put-to-light-System von einer Regalseite auftragsbezogen beschickt und zum Verpacken von der anderen Seite geleert werden.


Ablauf der Kommissioniervorgänge im Lager

Ablauf der Kommissioniervorgänge im Lager (zum Vergrößern klicken)

Batch-Kommissioniervorgänge und Bereitstellungsregal-Aktivitäten sind in mehrere Arbeitsgänge unterteilt:

  1. Wellenfreigabe — Aufträge werden in Batches zusammengefasst und für die Kommissionierung bereitgestellt.
  2. Kommissionierung — die Entnahme von Artikeln aus dem Lager in den Lagerbereichen (Zonen). Das Kommissionieren in Zonen verhindert lange Wege zwischen den einzelnen Lagerorten. Die zonenweise Entnahme kann für Artikel unterschiedlicher Aufträge und Batches erfolgen.
  3. Bereitstellung — alle Artikel eines Batches werden zusammengeführt. Batches bestehen aus mehreren ganzen Aufträgen. Komplette Batches werden in eine Putwall transportiert.
  4. Bereitstellungsregal — einzelne Aufträge werden aus Batches zusammengestellt und zum Verpacken und Versenden weitertransportiert.

Lösung: Lagermodellierung und Tests

In der ersten Lösungsphase wurden die Lagerprozesse in ihrer ursprünglichen Form modelliert und anschließend das Modell mit realen Daten zwecks Kalibrierung überprüft, um die Genauigkeit des Modells sicherzustellen und eine Vergleichsgrundlage für die vorgeschlagenen Kommissionierstrategien zu schaffen. In dieser Phase wurde die Modellierung mit der integrierten Prozessmodellierungsbibliothek von AnyLogic erarbeitet. Diese Bibliothek wurde dafür entwickelt, um die genaue Erfassung von Geschäftsprozessen und Arbeitsabläufen zu vereinfachen und zu beschleunigen.


AnyLogic-Prozessmodell für ein E-Commerce-Großlager der DHL Supply Chain

AnyLogic-Prozessmodell für ein E-Commerce-Großlager der DHL Supply Chain

Nach der Erstellung eines genauen Abbilds des Lagers wurden in Phase 2 die verschiedenen Wellenfreigabestrategien getestet. Diese waren dynamisch und basierten auf Metriken wie der Belegung von Bereitstellungswänden und Bereitstellungsregale, der Anzahl der in der Pipeline befindlichen Batches und so weiter.

Die zweite Projektphase bestand aus drei Schritten:

  1. Dynamische Kommissionierwellen — bei dem verschiedene Wellenstrategien erstellt und Bottlenecks identifiziert wurden.
  2. Szenarioanalyse — um zu verstehen, wie sich eine Wellenfreigabestrategie auf die Bearbeitungszeit und die durchschnittliche Größe der Warteschlange bei der Bereitstellung auswirkt.
  3. Vergleichsanalyse — mit KPIs zum Vergleich der Strategien, einschließlich der Baseline.

In der zweiten Phase untersuchten die Experten die Trade-offs zwischen den einzelnen Szenarien. Dank dieser Untersuchungen lernten sie die jeweiligen Ressourcenbeschränkungen kennen und fanden ein Optimum zwischen Ressourcen und Geschwindigkeit. Das Ergebnis: Ein dynamisches Wellenmodell, das die Ressourcennutzung erhöht und die Zykluszeit im Vergleich zum Ist-Lagermodell verringert.

Ergebnisse: Optimierung des Lagerdurchsatzes und der Ressourcennutzung

Bereits in der ersten Phase war es mit dem ‚Ist‘-Modell möglich, die Ressourcenauslastung zu erhöhen und die Zeit für die Aufgabenabarbeitung zu verkürzen, da das Bereitstellungssystem nicht annähernd mit seiner maximalen Kapazität ausgelastet war – zeitweise gab es Leerlauf, zeitweise lange Warteschlangen. Dies ist in der Bereitstellungsstatistik erkennbar, in der die Belegungszeit manchmal sehr niedrig ist und manchmal auf ein Plateau ansteigt.


Die Diagramme zeigen den Lagerdurchsatz und die Zykluszeiten für das ‚Ist‘-Modell des Lagers

Die Diagramme zeigen den Lagerdurchsatz und die Zykluszeiten für das ‚Ist‘-Modell des Lagers (zum Vergrößern klicken)

In Phase 2 des Lageroptimierungsprojekts wurde ein dynamisches Wellenfreigabemodell entwickelt, das die Ressourcennutzung optimiert und die Zykluszeiten minimiert. Während die Durchlaufzeiten an den Bereitsstellungsregaletwa gleich blieben, wurde ihre Auslastung erhöht, indem der Bereitstellungsbedarf nivelliert wurde. Die Folge war eine Verkürzung der gesamten Auftragsdurchlaufzeit.


Ergebnisse aus dem dynamischen Wellenfreigabemodell mit Ressourcenauslastung und Prozesszykluszeiten

Ergebnisse aus dem dynamischen Wellenfreigabemodell mit Ressourcenauslastung und Prozesszykluszeiten (zum Vergrößern anklicken)

Im Vergleich zum ‚Ist‘-Modell reduzierte das dynamische Wellenfreigabemodell die Auftrags- und Batch-Zykluszeiten, steigerte die Ressourcenauslastung um fast 10 % und führte zu einer Gesamteinsparung der Auftragsabwicklungszeit von 8,2 %. Dank der Einsparungen werden für die gleiche Arbeit 66 Mitarbeiter bzw. zwei Stunden weniger benötigt.


Vergleich des zugrundeliegenden ‚Ist‘-Lagerprozessmodells mit dem dynamischen Wellenfreigabemodell, das von den Experten der DHL Supply Chain in der Simulationssoftware AnyLogic entwickelt wurde

Vergleich des zugrundeliegenden ‚Ist‘-Lagerprozessmodells mit dem dynamischen Wellenfreigabemodell, das von den Experten der DHL Supply Chain in der Simulationssoftware AnyLogic entwickelt wurde (zum Vergrößern klicken)

Mit dem Projekt zur Optimierung der E-Commerce-Lagerprozesse konnte DHL Supply Chain erhebliche Einsparungen bei seinen Großlagern erzielen. Die Supply-Chain-Ingenieure setzten Simulationsmodelle ein, um die Lagerabläufe möglichst genau zu beschreiben, die dann anhand von realen Betriebsdaten verifiziert wurden. Im Vertrauen auf das Verhalten des Modells entwarfen und testeten die Ingenieure dann eine dynamische Wellenfreigabestrategie, um operative Verbesserungen zu erzielen, wie sie heute für den Wettbewerb im internationalen E-Commerce erforderlich sind.

Diese Fallstudie stammt aus einem Vortrag von Jigar Panot, Berater im Global Solutions Design Center von DHL Global Supply Chain, auf der AnyLogic Conference 2021:


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