Das GSK-Werk in Parma, Italien, ist eine biopharmazeutische Produktionsstätte, die sich darauf spezialisiert hat, neue Produkte für das weltweit operierende, wissenschaftsorientierte Gesundheitsunternehmen GlaxoSmithKline und Drittanbietern anzubieten. 2020 startete das Management ein Investitionsprogramm, um die sterile Produktionsanlage am Standort durch eine neue, auf moderneren Technologien basierende Anlage zu ersetzen. Ein wichtiges Projektziel war es, das Versorgungsrisiko mit wichtigen biopharmazeutischen Medikamenten zu minimieren.
Für die Analyse, Planung und Entscheidungsfindung im Rahmen des Projektes arbeitete GSK mit dem renommierten Technologieunternehmen Decision Lab zusammen.
Problemstellung: Kapazitätsplanung in der pharmazeutischen Produktion
Zur Erfüllung behördlicher Anforderungen an die Produktion in steriler Umgebung musste das GSK-Werk in Parma, Italien, seine pharmazeutische Produktionslinie modernisieren. Zu den wichtigsten Herausforderungen für die erfolgreiche Durchführung dieser Arbeiten gehörte die Risikominimierung bei der Versorgung mit kritischen Arzneimitteln bei gleichzeitiger Bewältigung erhöhter, volatiler Nachfrageprognosen.
Die Geschäftsführung beschloss, die Produktionsstätte vor Baubeginn der neuen pharmazeutischen Anlage zu simulieren, um eine Überprüfung und Optimierung der Prozesse vorab zu ermöglichen. Dabei musste eine Vielzahl von Eingangsgrößen berücksichtigt werden.
Entscheidend für den Erfolg war es, die Gesamtkapazität der Einrichtung in Bezug auf Maschinen und Abläufe zu verstehen und genau vorherzusagen. Beim Maschinenpark wollten die Planer die Menge, Größe und Kapazität der wichtigsten Produktionsmittel betrachten und für die operativen Abläufe die Anzahl der Mitarbeiter, Schichtpläne, Reinigungszeiten usw. klären.
Das Management sah im Simulationsmodell eine Entscheidungshilfe für die Beschaffung der Betriebsmittel und die Optimierung des Durchsatzes, um die Kapazität zu verbessern. Das Modell würde auch dabei helfen, den Business Case für andere potenzielle Designlösungen zu erstellen und sie anhand der wichtigsten Werttreiber zu bewerten, wie:
- Investitionsaufwand (Capex)
- Betriebskosten (Opex)
- Kapazitätsreserven
- Größe der Betriebsmittel
- Nettogegenwartswert (NPV)
- Herstellkosten (COG)
- Auslastungsgrade
Lösung: Simulation der pharmazeutischen Produktion
Decision Lab und GSK entwickelten das Produktionssimulationsmodell in zwei Phasen. Die erste Phase umfasste die Produktionsprozesse und nutzte die diskrete Ereignissimulation, um die komplexen Produktionsaktivitäten im GSK-Werk zu beschreiben.
In Phase zwei ging es um die Informationsbereitstellung, Visualisierung und Erstellung eines Digitalen Zwillings der gesamten Anlage.
Mithilfe der DXF-CAD-Dateiimportfunktion der AnyLogic-Simulationssoftware konnten die Modelldesigner den Lageplan der Anlage exakt replizieren. Maschinenabläufe, Bedieneraktivitäten und andere Prozesse wurden so modelliert und visualisiert, dass die Haupt- und Teilprozesse klar definiert waren.
Dank der Erweiterbarkeit der AnyLogic-Modellierungsplattform gelang es den Designern auch, ein eigenes Heatmap zu erstellen, die die Bedieneraktivitäten veranschaulicht. Diese Funktion war für die sterile Anlage besonders wichtig, weil sie hilft, die Reinigungsaktivitäten zu koordinieren.
Jeder Teil des Modells wurde so ausgelegt, dass er die Standortplanung erleichterte, was das Design äußerst flexibel machte. Um beispielsweise unterschiedliche Szenarien zu vergleichen, kann der Modelloperator Parameter wie die Anzahl der Maschinen und Arbeiter bequem anpassen.
Entscheidungshilfe für pharmazeutische Produktionsanlagen
Während der Entwurfsphase der Anlage nutzten die Planer das Modell, um über 200 mögliche Geschäftsszenarien zu analysieren. Die Ergebnisse der Simulationsläufe ließen sich dank der Arbeit in Phase zwei zur Visualisierung der Modelleigenschaften leicht verständlich veranschaulichen.
Dabei werden die Prozesse so in einem Dashboard präsentiert, dass die Komplexität der zugrunde liegenden Teilprozesse und parallelen Abläufe verborgen bleibt. Die Produktion wurde ferner in Form eines Gantt-Diagramm dargestellt, um den zeitlichen Ablauf der Prozesse zu verstehen, und in 3D, um nachzuvollziehen, wie sie ausgeführt werden. Da es leicht möglich war, die Prozessdauer der einzelnen Arbeitsabläufe zu ermitteln, diente das Modell als Entscheidungsgrundlage für den optimalen Startzeitpunkt dieser Abläufe.
Die 3D-Ansicht gestattete es, Interessensgruppen aller Ebenen einzubinden, und bewies, dass das Modell nicht einfach nur eine „Black Box“ ist, die Antworten auswirft, was dessen Akzeptanz in der Planungsphase deutlich stärkte.
Ergebnis: Optimierte Arzneimittelherstellung
Der durch AnyLogic ermöglichte dynamische Simulationsansatz lieferte im Gegensatz zu herkömmlichen Analysetools aussagekräftige Erkenntnisse darüber, wie die zukünftige Produktionslinie konfiguriert und betrieben werden sollte. Das Simulationsmodell ermöglichte den Planern eine schnelle und umfassende Szenario- und Optionsanalyse, die die wichtigsten Beschränkungen und Schwachstellen des Erstentwurfs aufdeckte.
Die Robustheit der Simulation und die fundierte Entscheidungsfindung, die das Modell den Entscheidungsträgern erlaubte, führten letztlich zu einer zügigen Freigabe des Bauprojekts: Bei der Stage-Gate-Freigabe gab es keinerlei Verzögerungen, und die nächste Projektphase konnte termingerecht beginnen.
Zudem wurden Kosteneinsparungen realisiert, indem der Anlagenbedarf vorab präzise ermittelt und keine unnötigen Anschaffungen getätigt wurden. Es wird erwartet, dass der Gesamtinvestitionsumfang dank des Vertrauens in den prognostizierten Betriebsmittelbedarf um 20 % niedriger ausfallen wird.
Auch in Zukunft werden die Ingenieure des GSK-Werks in Parma das Modell für die Planung verwenden und wollen außerdem maschinelles Lernen einsetzen, um weitere Prozessoptimierungen zu identifizieren.
Das Projekt und seine Ergebnisse wurden von Joy Kuo von Decision Lab und Giovani Giorgio vom GSK-Werk in Parma auf der AnyLogic Conference 2021 mit dem Titel „Manufacturing Simulation for a New Pharma Facility Concept To Support Key Design Decisions“ präsentiert.
