Übersicht
Ozon ist einer der größten Online-Händler in Osteuropa mit einem Gesamtumsatz im Jahr 2019 von rund 5 Mrd. US-Dollar. Das Unternehmen expandiert Jahr für Jahr, u. a. durch die Einführung neuer Dienstleistungen und der Erweiterung der Lieferreichweite . So stieg der Umsatz von Ozon im Jahr 2019 um 93 % und im ersten Quartal 2020 um 115 %. Entsprechend dieser Wachstumskurve muss das Unternehmen seine Infrastruktur kontinuierlich anpassen
Problemstellung
Im Jahr 2018 verfügte Ozon über sieben Verteilzentren im Großraum Moskau mit Flächen von 200 bis 5.000 qm. Im Jahr 2020 erhöhte sich deren Anzahl auf 11. Die Waren werden von diesen DC's direkt an die Kundenadressen, Packstationen oder Pick-up-Points geliefert, wo die Kunden sie abholen. Um ein hohes Serviceniveau aufrechtzuerhalten und die Waren pünktlich auszuliefern, war es daher erforderlich, ein neues Verteilernetz aufzubauen, sowie die Entfernung von den Distributionszentren zu den Endzielen zu minimieren.
Das Unternehmen entschied sich aufgrund der Fähigkeit zur Netzwerkoptimierung für AnyLogic als Simulationssoftware, um dieses Problem zu lösen. Diese Technologie ermöglichte es Ozon, das Verkehrsnetz in und um Moskau zu visualisieren und Hypothesen zu testen, bevor Ideen in die Praxis umgesetzt werden. Die Simulation sollte Ozon ferner dabei helfen, zu verstehen, wie man die Lieferzonen zwischen neuen und bereits existierenden DC's verteilt, damit die Zentren wirtschaftlich und ohne Ausfallzeiten arbeiten.
Lösung
Bei Ozon wird eine Bestellung an eines der Fulfillment-Zentren (hauseigenes Packlager) geschickt, wo Mitarbeiter die Waren von den Lieferanten erhalten, zu Paketen kommissionieren und verpacken. Dann werden die Pakete an das DC im jeweiligen Liefergebiet geleitet , wo sie auf Lieferboten verteilt werden. Die Lieferboten wiederum liefern die Pakete innerhalb ihres Zustellgebietes direkt an die Kunden, an Packstationen oder an Pick-up-Points.

Simulationsmodell für Distributionszentren
Das Unternehmen entschied sich, für jede Phase der Auftragsabwicklung Modelle zu entwickeln, um den gesamten Prozess vollständig abzubilden. In dieser Fallstudie konzentrieren wir uns jedoch nur auf die Optimierung der Transportphase zwischen Lieferbote und Kunde (Last-Mile-Delivery).
Zu Beginn sammelte das Ozon-Simulationsteam relevante Daten. Im Unternehmen werden alle Informationen der Auftragsabwicklung in IT-Systemen protokolliert, sodass die erforderlichen Daten abgerufen werden konnten, darunter:
- die Zeit, die ein Lieferbote in einem DC verbringt;
- die Zeit, die ein Lieferbote für die Fahrt von einem DC zu einem bestimmten Liefergebiet benötigt;
- die Lieferzeitverteilung in den Liefergebieten;
- die Verteilung der Zielorte innerhalb der einzelnen Liefergebiete;
- die Zeitverteilung, die ein Lieferbote für die Fahrt von Kunde zu Kunde in den einzelnen Zustellgebieten benötigt.
Anhand dieser Daten entwarfen die Ingenieure das Simulationsmodell, wobei folgende Randbedingungen berücksichtigt wurden, um das reale System genauer zu modellieren:
- 98 % der Aufträge müssen pünktlich geliefert werden.
- In Spitzenzeiten beträgt der Auslastungsgrad von DC bis zu 95 %, wobei die Arbeitslast gleichmäßig und proportional im System verteilt sein sollte.
- Innerhalb verschiedener Liefergebiete sind die Aufträge ungleichmäßig über Zeit und Wochentage verteilt.
- Die Kuriere haben festgelegte Arbeitszeiten.
Um die Modelllogik festzulegen, verwendeten die Ingenieure die AnyLogic Prozessmodellierungsbibliothek. Durch Flussdiagramme gelang es, die Systemdynamik und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen zu erfassen.
Darüber hinaus war es wichtig, die Lieferwege des Distributionsnetzes im Modell abzubilden. Zu diesem Zweck nutzte das Team die GIS-Karte, um Verteilzentren im Großraum Moskau sowie die entsprechenden Liefergebiete zu bestimmen. Danach wurden die Routen automatisch in AnyLogic-Simulationsexperimenten erstellt. Das entwickelte Modell wurde anschließend in die AnyLogic Cloud hochgeladen, sodass das Team das Projekt mit Kollegen teilen und von beliebigen Geräten darauf zugreifen konnte.

Modell des Last-Mile-Distributionsnetzwerks
Die Entwickler nutzten das Simulationsmodell, um verschiedene „Was-wäre-wenn“-Szenarien zu testen, in denen sie die Systemparameter variieren konnten. Zu diesen Parametern gehörten das Gesamtauftragsvolumen, die Termintreue, die Anzahl der Kuriere, die in ein Zustellgebiet geschickt wurden und die Fahrzeit des Kuriers im Allgemeinen. Ziel des Teams war es, die Liefergebiete so auf die DCs zu verteilen, dass deren Anzahl minimiert wird, gleichzeitig aber ein hohes Serviceniveau erhalten bleibt. Darüber hinaus sammelten sie statistische Daten für jedes DC, sowohl über die Effizienz als auch über die Zustellzeiten der Kuriere.
Ergebnis
Als Ergebnis entwickelte das Team ein Simulationsmodell für das Last-Mile-Delivery-Netzwerk, welches die Distributionszentren und ihre entsprechenden Lieferbereiche, Packstationen und Pick-up-Points widerspiegelt. Das Modell wurde verwendet, um verschiedene Szenarien zu testen. Anschließend ermittelte das Team unter Einbeziehung des Servicelevels und der Kosten den optimalen Standort der DCs und deren Liefergebiete.
Die Ingenieure nutzten die Prozessmodellierungsbibliothek und die GIS-Kartenfunktionen von AnyLogic, um die Prozesslogik des Logistiksystems festzulegen und zu visualisieren. Das Simulationsmodell und die Ausgabedaten halfen dem Team bei der Entscheidung, bis Ende 2020 drei DCs zu schließen und 11 neue DCs zu eröffnen, um ein optimales Gleichgewicht zwischen den einzelnen Kennzahlen zu finden.