Übersicht
General Electric Company (GE) ist ein multinationaler US-Konzern, der hauptsächlich in den Bereichen Energieversorgung, erneuerbare Energien, Luftfahrt und Gesundheitswesen tätig ist. Im Jahr 2020 rangiert GE bezogen auf den Bruttoumsatz auf Platz 33 der US-Fortune-500-Liste.
Um innovative Technologien für GEs Geschäftsinteressen zu entwickeln, wurde das GE Global Research (GEGR) gegründet, das sich zu einem der größten und vielseitigsten industriellen Forschungslabore der Welt entwickelt hat. Das GEGR arbeitet an Geschäftsmodellen zur Technologieentwicklung und verfügt über Expertenwissen in den Bereichen Simulationsoptimierung und Operations Research.
Problemstellung
Als GE sein Engagement für Elektrofahrzeuge (EF) bekundete, erforderte dies Weiterentwicklungen in verschiedenen verwandten Bereichen. Viele Technologien befanden sich noch in der Entwicklung und wurden gerade erst auf breiter Basis kommerziell verfügbar, weshalb viele Probleme noch zu lösen waren.
GE setzte bereits eine große Elektrofahrzeugflotte für den Privatgebrauch ein, produzierte WattStation -Ladestationen für E-Mobile und führte viele andere Aktivitäten im EF-Bereich durch. Eine Kernfrage, die das Unternehmen beantworten wollte, jedoch blieb: Wie würden sich diese Märkte weiterentwickeln?
Die relativ weit verbreitete Nutzung von E-Fahrzeugen und die Notwendigkeit, diese mit Dienstleistungen und Ladenetzwerken zu unterstützen, veranlasste GEGR, die damit verbundene geschäftliche Nachfrage zu untersuchen und neue Technologien zu entwickeln. Darüber hinaus waren notwendige Änderungen der Stromverteilungsmuster und Methoden auch für GEGR von Interesse.
Kurz gesagt, durch eine Analyse des EF-Transport- und Ladenetzwerks versuchte das GEGR-Team, Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:
- Wie sieht die EF-Nutzungskurve aus?
- Wie wird sich das auf das Energieversorgungsnetz auswirken?
- Wie wird sich die Ladeinfrastruktur weiterentwickeln?
- Welche neuen Geschäftsmodelle werden entstehen?
GEGR beschloss zu testen, ob eine fortschrittliche Simulationsmodellierung bei der Beantwortung dieser Fragen helfen könnte. Zu diesem Zweck wurde das Forschungsteam damit beauftragt, Prototypen für Demonstrationszwecke zu entwickeln:
- um Modellierungsverfahren zur Erkenntnisgewinnung, Prognostizierung und Entscheidungsfindung in neuen Geschäftsbereichen zu evaluieren;
- um potenzielle Methoden und Ansätze sowie deren Integrationsmöglichkeiten zu identifizieren, die die Forschung unterstützen könnten.
Lösung
Für die Analyse des EV-Transport- und Ladenetzwerks wählte GE Global Research die Multimethoden-Simulationssoftware AnyLogic, da sie die agentenbasierte Modellierungsmethode unterstützt. Diese ermöglicht es den Ingenieuren, den EV-Markt als ein System individueller Agenten zu beschreiben, die autonome Entscheidungen treffen. Zum Beispiel könnten Verbraucher selbst entscheiden, ob sie ein EV oder ein konventionelles Auto mit Verbrennungsmotor (Internal Combustion Engine, ICE) erwerben möchten.
Mit der agentenbasierten Simulation könnte das Team auch adaptives Fahrerverhalten modellieren, z. B. wenn ein Fahrer eine längere Fahrt (im Gegensatz zu einer regulären Home-Work-Home-Route) unternimmt und entscheiden muss, wann und wo er lädt. Darüber hinaus können potenzielle EF-Käufer aufgrund von Variablen wie Einkommen, Pendelentfernung, persönlichen Vorlieben usw. sehr unterschiedliche Präferenzen haben.
Für das Projekt erarbeitete das Team zwei Prototypmodelle: ein granulares EF-Adoptionsmodell und eine Ladenetzwerksimulation. Die agentenbasierten Modelle nutzten die Java-Plattform von AnyLogic, um verschiedene regelbasierte Funktionen und Variablen einzubetten, sowie die komfortablen grafischen Visualisierungsmöglichkeiten der Software.
Das granulare EF-Nutzungsmodell
Da es an historischen Daten zum Entscheidungsprozess potenzieller Kunden mangelte, beschloss das GEGR-Team, den Prozess zu simulieren und verwendete dazu den Example-Based-Evidential-Reasoning-(EBER)-Ansatz. Dies erlaubte die Vorhersage, wie verschiedene Faktoren die Entscheidungsfindung von Personen beeinflussen könnten. Der Lösungsansatz wurde von GE entwickelt und bereits in mehreren Projekten im Zusammenhang mit Risikomanagement und wettbewerbsfähiger Preisgestaltung eingesetzt.
Für das Granular-EF-Nutzungsmodell wurden die Präferenzfaktoren vom Team selbst ausgewählt. Dazu gehören:
- Fahrzeugnutzen (Reputation, Reichweite, Batterielebensdauer, usw.)
- Kundenmerkmale (Pendeldistanz, Einkommen, Verfügbarkeit von Haushaltsladegeräten usw.)
- Finanzierung (Amortisationszeit, jährliche Kosten, usw.)
- Standort (Klima, staatliche Anreize, Infrastruktur, usw.)
Die Eingaben des Modells beinhalteten zudem Outputs anderer Modelle (z. B. Finanzsimulationen, die die Amortisations- und Betriebskosten für ein E-Mobil berechneten) sowie Daten aus verschiedenen Open-Source-Datenbanken.
Im Modell des EF-Transportnetzwerks wurden alle Faktoren und Präferenzen, wie z. B. die finanziellen Verhältnisse und der Standort einer Person, Mundpropaganda und die Fahrzeugverfügbarkeit, so zusammengestellt, dass sie einem potenziellen Käufer entsprachen. Zusätzlich wurde der Übergang eines Agenten von einem Interessenten zu einem Fahrer eines E- bzw. ICE-Fahrzeugs verfolgt. Das Ergebnis war die relative Präferenz eines potenziellen Kunden für den Kauf eines EF gegenüber einem konventionellen Verbrenner.
Die Nutzunggrad wurde definiert, indem die Anzahl der Fahrer von E- und ICE-Fahrzeugen untersucht, um ein Bild der Gesamtbevölkerung zu erhalten. Für ein bestimmtes geografisches Gebiet – dem Bundesstaat New York – fasste das Modell die Adoptionsraten im Zeitverlauf zusammen. Die Ergebnisse können auf einer Karte nach PLZ-Regionen oder als Diagramm dargestellt werden.
Die Ladenetzsimulation
Die Simulation wurde erstellt, um die Auswirkung verschiedener Ladenetzwerkauslegungen sowohl hinsichtlich der Kundenzufriedenheit der Fahrer eines E-Mobiles als auch der Auslastung der Ladepunkte zu testen. Das Team wollte zudem Antworten auf die folgenden Fragen finden:
- Wie hoch ist der ROI für die Implementierung eines bestimmten Ladenetzdesigns?
- Wo sind potenzielle Standorte für Ladepunkte?
- Wie viele Ladepunkte werden benötigt?
Anhand der Daten über den Nutzungsgrad von E-Fahrzeugen aus dem vorherigen Simulationsmodell erstellte das Team mithilfe von GIS-Karten einen Simulationsprototypen der E-Fahrzeugnutzung in elf Postleitzahlregionen des Staates New York. Auf Basis der agentenbasierten Modellierung erarbeitete es eine benutzerdefinierte Objektbibliothek, die in anderen Projekten weiterverwendet werden kann. Für diese Objekte konnte das Team Eigenschaften und Verhaltensweisen festlegen, etwa ob Haushalte Wohneigentümer oder Mieter sind oder über unterschiedlich viele Fahrzeuge und Fahrer verfügen.
Beim Ausführen zeigte die Simulation das Fahrerverhalten sowie ihre Bewegungen und Entscheidungen, basierend auf logischen Regeln, die im Modell festgelegt wurden. Auf einer Karte oder über das Zustandsdiagramm eines Objekts konnte beobachtet werden, wie sich der jeweilige Objektzustand über die Zeit verändert. Durch das Hinzufügen oder Entfernen von Ladepunkten konnten die Rahmenbedingungen verändert werden, um zu beobachten, wie sich dies auf die Zufriedenheit der potenziellen EF-Besitzer auswirkte.
Ergebnis
Das Projekt zur Analyse des Transport- und Ladenetzes von GE Electric Vehicle hat bewiesen, dass die Simulation ein leistungsfähiges Werkzeug für Prognosen und Planungen in neu entstehenden Geschäftsbereichen ist. Die vom Forschungsteam entwickelten Modelle zeigten sich als nützlich für:
- Hersteller von EF-Ladestationen, um die Nachfrage zu verstehen;
- Ladenbesitzer, um zu simulieren, wie die Aufstellung von EF-Ladegeräten ihre Erträge beeinflussen könnte;
- Betreiber von Ladenetzwerken, um zu entscheiden, wo die Ladegeräte platziert werden sollen, um ihre Auslastung zu maximieren;
- Stadtplaner, um über das Design des Ladestationsnetzes zu entscheiden, das die Rendite der Investitionen und die Akzeptanz der E-Fahrzeuge maximiert.
Die AnyLogic-Software ermöglichte es dem GE-Forschungsteam, anspruchsvolle Modelle mit zahlreichen Entitäten zu erstellen, einschließlich entscheidungsfähiger Agenten. Die Modelle nutzten die Multimethoden-Modellierungsmöglichkeiten von AnyLogic und die integrierten grafischen Visualisierungsmöglichkeiten.