Ingenieure eines weltbekannten deutschen Automobilherstellers arbeiteten an einer modernen, optimierten Produktionslinie für den äußerst erfolgreichen Kleintransporter des Unternehmens. Mit insgesamt über 3,4 Mio. gelieferten Fahrzeugen aus verschiedenen Produktionsstandorten benötigte das Unternehmen ein Optimierungstool, das in verschiedenen Werken flexibel einsetzbar ist und auch Technologien wie autonome fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) berücksichtigt. Bereits in der ersten Projektphase wurde damit eine Effizienzsteigerung von 5 % erzielt und weitere signifikante Effizienzsteigerungen für die nächste Phase identifiziert.
Problemstellung: Effizienzoptimierung der Montagelinie
Im Rahmen einer umfangreichen FTF-Implementierung benötigten die Logistiker des Unternehmens ein Tool zur Bewertung und Optimierung der Effizienz ihrer Materialflüsse im Automobilwerk. Dieses sollte insbesondere folgende Punkte betrachten:
- Maschinenauslastung
- Personalzuordnung (insbesondere für unregelmäßige Aufgaben)
- Zeitverlust (durch Verkehr, Warten, Umpacken usw.)
- Zurückgelegte Strecken
- Anzahl der Lieferengpässe am Fließband
- Nachbestellungen von Lagerbeständen
- Auslastungsgrad der Liefertouren
Vor allem sollte es im Interesse der Rentabilität keine Produktionsunterbrechungen durch Zulieferengpässe am Fließband geben.
Während die Planungsingenieure die Effizienzoptimierung der oben genannten Aspekte betrachteten, mussten sie gleichzeitig sicherstellen, dass sie folgende Herausforderungen der Produktionslinie für Nutzfahrzeuge gerecht werden:
- Teilevielfalt – mehrere zehntausend Teilenummern, die im selben Werk montiert werden
- Variantenvielfalt – der Außenspiegel des Transporters ist in 130 Varianten lieferbar
- Komplexe Transporte – mit Gabelstaplern und von FTF gelieferten Carsets
- Zeit- und Platzmangel – kombinierte Transportwege und zeitkritische Tätigkeiten
- An den Montagelinien geltende Richtlinien – Qualität, Zahlen am Fließband, 'one touch – one motion' usw.
Wie optimiert man eine komplexe Montagelinie?
Herkömmliche, auf Tabellenkalkulationen basierende Analysetechniken können die Komplexität einer modernen Fahrzeugfertigung, wie etwa die beteiligten Prozesse und die Beziehungen zwischen ihnen, nicht berücksichtigen. Um das Verhalten einer Produktionslinie realistisch zu erfassen, ist es zudem notwendig, die Geschwindigkeitsdynamik der Transportfahrzeuge, die Verkehrsbedingungen, den Zugang zu gemeinsamen Ressourcen und schwankende Nachfrage zu berücksichtigen.
Hier bietet die Simulation eine praktische Möglichkeit. Mit der Simulationssoftware von AnyLogic und der Material-Handling-Bibliothek konnten die Ingenieure ihre Fertigungsstraße modellieren, eine Verbindung zu externen Software-Bibliotheken herstellen und eigene Systemelemente entwickeln. Neben den Modellierungsfähigkeiten von AnyLogic half die Cloud-Funktionalität der Software dem Entwicklungsteam bei der kollaborativen Versuchsdurchführung und beschleunigte so die Entwicklung durch kürzere Feedback- und Prüfzyklen.
Lösung: Modellierung komplexer Automobilproduktionsstätten
Um die Anwendbarkeit des Modells und seine künftige Nutzung zu maximieren, erstellten die Entwickler das Simulationsmodell unter Berücksichtigung mehrerer Prinzipien:
- Flexibilität
- Skalierbarkeit
- Beschaffung von echten Daten
- Schnelle Adaptierbarkeit
Diese Prinzipien stellen sicher, dass das Simulationsmodell auch bei Layoutänderungen, unterschiedlichen Standorten oder neuen Technologien und Prozessentwicklungen zuverlässig funktioniert.
Das Modell-Layout wird mittels Parsen einer DXF-Datei der Werkshalle als Parameter konfiguriert. So kann ein Produktionsplaner ein Layout mit seiner Werkstattplanungssoftware, z. B. AutoCAD, ändern und es anschließend direkt in der Simulation testen.
Die Beschaffung echter Daten bedeutet, dass jedes Einzelteil, jeder Standort, jeder Transporter und jeder Auftrag zu Beginn einer Simulation hochgeladen und als Agent festgelegt wird. Diese Granularität gewährleistet ein sehr niedriges Abstraktionsniveau und ein Höchstmaß an Modellrealismus.
Um die Adaptierbarkeit zu gewährleisten und eine Anpassung an die in der modernen Fertigung üblichen schnellen Veränderungen zu ermöglichen, wählten die Entwickler einen modularen Designansatz. So können neue Entwicklungen oder Prozessänderungen unabhängig modelliert und zur Analyse einfach in das Gesamtmodell eingebunden werden.
Ergebnisse: Die Simulation ermöglicht detaillierte Analysen
Das Simulationsmodell der Fahrzeugproduktion liefert mehr Ergebnisse und mehr Details, als die Logistiker bislang bekamen. Ein Beispiel: Multicart-Transporter können jeden der über 300 möglichen Standorte anfahren, weshalb ihr Verhalten schwer zu analysieren war. Jetzt wird ihre Route erfasst. Die Metriken verdeutlichen nicht nur, wie gut der Fahrer ausgelastet ist, sondern auch den Grad der Fahrzeugauslastung, was Aufschluss über die Effizienz gibt.
Screenshots von der Simulationsmodell-Schnittstelle (zum Vergrößern anklicken)
Die Modell-Entwickler waren in der Lage, alle von den Ingenieuren benötigten Ergebnisse auf einem bisher nicht gekannten Niveau bereitzustellen, also mehr und detailliertere Ergebnisse.
Entscheidungshilfe für Planung und Investition
In einem ersten Schritt war das Simulationsmodell erfolgreich, ein millionenschweres FTF-Projekt zu validieren, bevor der Auftrag erteilt wurde.
Nach dieser erfolgreichen Bewertung der ersten FTF-Projektimplementierung dient das Modell weiterhin zur Projektüberprüfung vor der eigentlichen Umsetzung sowie zu anderen Zwecken. Insgesamt hilft das Modell bei der Einschätzung der Effizienz manueller Prozesse, erleichtert die Einführung von fahrerlosen Transportfahrzeugen und unterstützt die Arbeiten, die zu einer vollständig automatisierten Produktionsstätte führen.
Ein Beleg für die Leistungsfähigkeit des Modells ist die Tatsache, dass bereits der erste Bewertungsschritt für eine Belegschaft von über 70 Mitarbeitern einen Effizienzgewinn von 5 % ergab. In einem zweiten Schritt konnten weitere 5 % durch Automation erreicht werden.
Hinsichtlich des Zwecks der Effizienzbewertung ist es erwähnenswert, dass die Simulation nun 90 % der Berechnungen übernimmt, die zuvor von einem Planer manuell durchgeführt werden musste. Das spart Zeit und bietet die zusätzliche Möglichkeit einer Validierung.
Insgesamt haben die Logistikplaner des deutschen Automobilriesen dank sorgfältiger Vorbereitung und klarer Zielsetzung ein Tool implementiert, das die heutigen und zukünftigen Abläufe unterstützt und verbessert. Ferner kann das Modell auf andere Standorte übertragen werden, was die Rentabilität der Investition erhöht.
Entscheidend für das Projekt waren die Design-Entscheidungen in Bezug auf die Flexibilität und Skalierbarkeit des Modells und die Fähigkeiten von AnyLogic, die deren Umsetzung ermöglichten.
Die zugehörige Präsentation mit anschließender Diskussionsrunde im Rahmen der AnyLogic Conference finden Sie hier.